Mit dem ganzen Herzen dabei

GKR-Vorsitzender Wolfgang Raack im Porträt

WENN WOLFGANG RAACK durch das neue Gemeindehaus in Neuenhagen-Nord eilt, ist es, als wäre er zu Hause. Jeder Winkel des Gebäudes ist ihm vertraut. Für die eine oder andere Sache hat er selbst die Ärmel hochgekrempelt und Hand angelegt. Wohlbemerkt Hemdsärmel. T-Shirt trägt der Beamte im Bundesministerium der Finanzen (BMF) äußerst selten, allenfalls beim Sport — ein Funktionsshirt versteht sich. Er ist jedenfalls auch derjenige, der die Funktion der Fernbedienung für die Fenster im Gemeindehaus durchschaut hat — und auch sonst hat der Mann mit der selbst in Rundfassung noch leicht kantigen Brille in unserer Kirchengemeinde den Durchblick. Besonders in allen Dingen, die die Geschäftsführung betreffen, denn er ist Vorsitzender des Gemeindekirchenrats.

Wolfgang Raack ist drahtig schlank, die Haare im unverwüstlichen Igelschnitt, stets korrekt gekleidet in Hemd und Hose, oft schnittig im großen Kombi unterwegs und noch lieber sportlich auf dem Fahrrad — natürlich mit Helm. Mit seiner Frau Kerstin wohnt er seit 1999 in Hoppegarten, da war die Wiese hinterm Haus noch unbebaut und stand gerademal so die erste Häuserreihe des dereinst neuen Wohngebiets zwischen Lindenallee, Bahntrasse und Neuer Hönower Weg. Kerstin Raack ist ebenfalls im BMF tätig, beide zogen damals dem Regierungsumzug entsprechend aus Bonn nach Berlin. Doch direkt in der Großstadt wohnen wollte das Ehepaar nicht. In Hoppegarten fanden sie die urbane Nähe, den notwendigen S-Bahn-anschluss und ein Zuhause, und dort wurden sie mit den Töchtern Karolin und Sophie in den 2000ern zur Familie. Der Nachwuchs wurde in der Dahlwitzer Kirche getauft. Als Christen suchten sie auch darüber hinaus Kontakt zur Kirchengemeinde. Kerstin Raack vertritt unsere Gemeinde mittlerweile im Präsidium der Synode des Kirchenkreises Berlin-Süd-Ost. Und Wolfgang Raack ist seit 2013 Mitglied im Gemeindekirchenrat (GKR), seit 2016 als stellvertretender Vorsitzender, und seit 2019 leitet er das Gremium.

Wolfgang Raack mit seinen beiden Töchtern im März 2006

Das werde ich auch nie vergessen. Da wurde ich nach einem Gottesdienst von Pfarrer Scheufele angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, im Gemeindekirchenrat mitzuarbeiten. Ich meine, wir kannten uns eigentlich gar nicht; ich ihn nur als predigender Pfarrer und von dem einen oder anderen Familienfrühstück“, erinnert sich Wolfgang Raack kopfschüttelnd. Er habe gefragt, was man da machen müsse und die Antwort bekommen: „Einmal im Monat treffen und ein bisschen was beschließen“, sagt er und lacht wiederum kopfschüttelnd.

Inzwischen weiß er, GKR ist mehr. Das Gremium ist quasi das Hirn einer Kirchengemeinde, die Schaltzentrale, die alles im Blick und alles unter Kontrolle hat. Ist das nicht so, funktioniert die Gemeinde über kurz oder lang nur sehr schlecht bis gar nicht. Ob Finanzen, Gebäudeverwaltung, Grundstückangelegenheiten oder Personalfragen — all dies geht über den Tisch des Gemeindekirchenrats, dem die Pfarrperson stets als geborenes Mitglied angehört. Oft leitet Letztere auch den GKR, allerdings ist das kein Muss. Auch Matthias Scheufele war einige Jahre lang GKR-Vorsitzender, bis er 2019 wiederum Wolfgang Raack fragte — seinen Stellvertreter — ob dieser nicht den Vorsitz übernehmen möchte — natürlich unterstützt durch den Stellvertreter, der dann Scheufele selbst sein wollte. Wolfgang Raack willigte ein.

Dieses Tandem fuhr aber nur eine Kurzstrecke. Kurz nach dem Tausch verabschiedete sich Pfarrer Scheufele recht plötzlich und rasch in die Lausitz ans landeskirchliche Zentrum für Dialog und Wandel. „Das war ein Schlag ins Kontor“, erinnert sich Wolfgang Raack und man merkt ihm an, dass dies keine leichte Zeit war — weder für ihn, noch für die Kirchengemeinde. „Ich habe mich in der Zeit als Stellvertreter oft auf das verlassen, was der Vorsitzende sagt“, weiß er noch. Nun sagte keiner mehr was.

Doch er nahm die Herausforderung an, denn was Wolfgang Raack hat, ist neben Optimismus vor allem Organisationsgeschick. „Ohne musst Du jemanden kennen, der das hat“, sagt er und weiß noch etwas, das ihm stets ein Werkzeugkoffer war: „Man muss in der Lage sein, die zahlreichen Kirchengesetze und Vorschriften zu finden, sich damit auseinandersetzen und im Zweifel daraus zitieren können. Das hat mir schon oft geholfen. “Zwei wesentliche hauptamtliche Stellen waren damit Ende 2019 zeitgleich unbesetzt: die der Pfarrer*in  und die der Gemeindepädagog*in, die schon im Frühjahr 2019 wieder einmal vakant war. Als Interimspfarrer kam Rainer Berkholz aus unserer Nachbargemeinde Mühlenfließ zum Einsatz, doch galt die dringende Bitte, „ihn nicht zu verschleißen“, weiß Wolfgang Raack noch. Da stand der erste Spatenstich fürs neue Gemeindehaus in Nord bereits bevor und der GKR-Vorsitzende Raack wurde über Nacht zum Bauleiter, unterstützt von den übrigen GKR-Mitgliedern, die allesamt das Schiff Kirchengemeinde ehrenamtlich lenken — viel Verantwortung für eine Freizeitbeschäftigung. „Ehrenamt ist wichtig“, weiß er schon allein aus dieser Zeit heraus. „Aber man darf die Ehrenamtlichen auch nicht überfordern.“ So übernimmt Wolfgang Raack lieber eine Aufgabe mehr, als andere zu belasten, und ist emsig darum besorgt, den Pool an ehrenamtlichen Helfern zu erweitern.

Die intensive Zeit des Gemeindehausbaus ist eine ganz eigene Geschichte für sich, über die Wolfgang Raack ein Fotobuch angelegt hat. Man gönnt ihm den offensichtlichen Stolz von Herzen, wenn er über das Haus spricht und es interessierten Menschen zeigt.

Wolfgang Raack mit seiner Frau Kerstin

Aber warum genau hat er denn den GKR-Vorsitz damals übernommen? Nur, um dem Pfarrer den Gefallen zu tun? Das wäre nicht sein Stil. Er ist weder pathetisch noch besonders emotional, dafür geradlinig und durchaus direkt sowie durch und durch rational. Unüberlegte Entscheidungen oder Worte sind von ihm kaum zu erwarten. Dafür hat das, was er sagt und tut, alles Hand und Fuß. Damals motivierte ihn die christliche Gemeinschaft, in die er als Mitglied des GKR sowie seine Familie noch stärker als zuvor hineinwachsen konnten. Es entstanden Freundschaften, und die Kirchengemeinde wurde parallel zum Berufs– und Familienalltag wie eine zweite Familie. „Ich bin hier verwurzelt, und das maßgeblich durch das kirchliche Leben“, stellt er fest. An seine Geburtsstadt Aachen bindet ihn kaum mehr etwas. Beide Eltern und die Schwester sind verstorben. „Ich fahre gern dorthin zurück, aber ich kenne dort niemanden mehr“, sinniert er. Dann lächelt er offen und sagt: „Ich fühle mich als Brandenburger. Heimat ist da, wo meine Familie ist.“ Ein seltener emotionaler Moment, in dem eine tiefe Zufriedenheit spürbar ist. Zugleich muss er über sich selbst schmunzeln: den im deutschen Westen sozialisierten, der sich nun im Ostbrandenburgischen verwurzelt fühlt.

Ich wollte der Gemeinde etwas zurückgeben, weil ich unter Pfarrer Scheufele erlebt habe, wie wir als Gemeinde zusammengewachsen sind. Matthias (Scheufele, Anm. JZD) hat viel initiiert. Und dann hat es mir großen Spaß gemacht, mich in der Gemeinde einzubringen, Aufgaben zu übernehmen und zu verteilen.“ Er habe als Vorsitzender zudem immer versucht, auch andere und vor allem jüngere Menschen zu motivieren, aktiv am Gemeindeleben teilzunehmen. „Ich glaube das ist geglückt“, sagt er und seine Miene erhellt ein breites Lächeln. Dann verweist er auf die Gemeindefreizeit im Juni dieses Jahres, an der so viele Menschen wie noch nie teilnahmen, oder auf die GKR-Wahl im vorigen November, die eine richtig gute Kandidatenauswahl vorweisen konnte und durch die auch jüngere Erwachsene neue Mitglieder des Gremiums wurden. Und wie ist ihm das gelungen?

Wolfgang Raack setzt vor allem auf Kommunikation — und zwar in alle Richtungen. „Dass wir jetzt einen verjüngten GKR haben, liegt ja nicht an geschalteter Werbung, sondern daran, dass wir mit den Menschen kommunizieren. Man darf da dann auch nicht schüchtern sein und muss die Leute direkt fragen“, weiß er und ergänzt: „Ich habe viele Absagen bekommen, aber davon habe ich mich nicht entmutigen lassen. “Durch den Weggang von Pfarrer Scheufele war Wolfgang Raack auch in der Kommunikation mit dem Kirchenkreis auf unbekanntem Terrain angekommen — und hat es sich erobert. Ein bisschen verschmitzt blickt er auf zahlreiche Begegnungen zurück, die nicht immer leicht waren und die Kirchengemeinde dennoch gut positionierten. „Wenn man nichts versucht, kann man auch nichts kriegen“, sagt er und diese Aussage steht quasi für sein Arbeitsmotto als GKR-Vorsitzender. Er sei stets dafür, dass auch mal Tacheles geredet werde — aber eben immer diplomatisch. Es gelte, dass man gemeinsam nach Lösungen suche und Kompromisse schließe — und auch hinter diesen stehe. Und manchmal müsse man sich, um etwas zu erreichen und seinen Standpunkt zu vertreten, auch mit anderen Gemeinden zusammentun und gemeinsam Ziele durchsetzen. Schmunzelnd sagt er: „Unser ,kleines gallisches Dorf‘ hat dadurch jedenfalls mehr Respekt im Kirchenkreis gewonnen“, und ergänzt: „Ich habe nicht nur in meinem Beruf, sondern auch hier in der Gemeinde und im Kirchenkreis gemerkt, wenn man sachlich seine Meinung sagt, sind die anderen auch nicht sauer. Sie wissen dann, woran sie sind.“ Das sei besser, meint er, als sein Fähnchen immer in den Wind zu hängen und in der großen Masse zu verschwinden. „Maßstab sind für mich nicht die anderen, sondern immer meine Gemeinde. Dafür setze ich mich ein — mal mehr oder auch weniger erfolgreich. Man muss mit dem ganzen Herzen dabei sein“, sagt er, der eigentlich komplett Rationalist ist, und lässt daran auch keinen Zweifel aufkommen.

Im Rückblick auf die vier Jahre als GKR-Vorsitzender überwiegt für den 63-Jährigen die Freude an seinem Ehrenamt. Er selbst habe durch diese Aufgabe unglaublich viele Menschen kennengelernt, auch in den beiden Kommunen Neuenhagen und Hoppegarten. Und man könne sehen und erleben, dass „wir als Gemeinde in diesen Jahren erheblich weitergekommen sind. Das liegt nicht an mir allein, sondern daran, dass wir im GKR zusammengearbeitet haben und auch viele einbinden.“ Die Zeit der vakanten Stellen, der Bauphase des Gemeindehauses und der Neuorientierung mit nun voll besetzen Hauptämtern sieht er als Zeit des Zusammenwachsens und der Weiterentwicklung unserer Kirchengemeinde. Pfarrer Sven Täuber habe viele gute Ideen und halte Predigten, die auch im Kopf blieben; der Kontakt zur Nachbargemeinde Mühlenfließ sei gestärkt und ausgebaut sowie die Zusammenarbeit mit dem Kirchenkreis verbessert worden. Nicht zuletzt freut er sich auch über die gut laufenden Bereiche Küsterei, Kirchenmusik und Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien. Überall ist frischer Wind reingefahren.

Damit das so bleibt, wird Wolfgang Raack ganz sicher auch bis Herbst 2025 nicht müde werden, in der Kirchengemeinde etwas zu bewegen. Projekte gibt es genug. Der Neubau Nord ist bezogen und „eingewohnt“. Nun geht der Fokus verstärkt nach Neuenhagen-Süd, wo etwas zum Erhalt der Bauten passieren muss. „Ich wünsche mir, dass wir in den zweieinhalb Jahren die Kirche und das Gemeindehaus in einen ordentlichen Zustand sanieren — mit oder ohne Kita. Und schön wäre es, wenn die Kita bis dahin schon als Gebäude stehen würde“, blickt er voraus. Auch der Altar in der Kirche Dahlwitz steht im Sanierungsplan, ebenso der Wiedereinbau von zwei Fenstern in den Giebel hinterm Altar.

Ob er alle Bauprojekte noch als GKR-Vorsitzender begleiten wird, weiß er nicht. Zur Wahl in den GKR möchte sich Wolfgang Raack aber schon noch einmal stellen. Im Herbst 2025 wird das gesamte Gremium neu gewählt.  Und die dringendste Aufgabe bis dahin sei es, Menschen zu finden, die bereit seien, in diesem wichtigen Gremium mitzuwirken, so Wolfgang Raack. Überhaupt wünsche er sich für die Kirchengemeinde noch so eine kleine Schippe auf die insgesamt florierende Entwicklung obenauf: mehr engagierte Menschen, die ehrenamtlich mitwirken, und mehr Menschen in den Gottesdiensten.

Apropos Gottesdienste: Auch diese dürften nach seinem Geschmack öfters mal in anderen Formaten stattfinden, zu anderen Zeiten und an anderen Orten. Denn Gottesdienst, so meint Wolfgang Raack, solle doch Spaß machen und die Teilnehmer aus dem Alltag herausholen. Auch andere Musik schwebt ihm vor, nicht immer nur das ehrwürdige Repertoire aus dem grünen — Evangelischen — Gesangbuch. „Ich glaube, die Zeit dafür ist reif.“ Ein Versuch dessen wird unter anderem der Impro-Gottesdienst AM 10. November sein, bei dem Wolfgang Raack mitwirkt. Vielleicht kommt darin dann trotzdem ein Klassiker zu Gehör, sein Lieblingslied: „Ein Schiff, das man Gemeinde nennt“.

Sein ganz persönlicher Alltag ändert sich nun ebenfalls. Wolfgang Raack, der nach der Mittleren Reife die Ausbildung zum Zollbeamten machte, sich mit Mitte dreißig und Anfang fünfzig nochmal höherqualifizierte und unter anderem lange Zeit die Fachaufsicht über alle Bundeskassen mit rund 1.100 Beschäftigten hatte, ist nun in der Freistellungsphase der Altersteilzeit angekommen. Plötzlich viel Zeit — aber für was eigentlich? Hobbies hat er einige, Reisen und Fotografieren zum Beispiel. Er möchte auch öfters mehrtätige Radtouren zusammen mit seiner Frau machen. Und dazwischen wird er sich weiterhin in der Kirchengemeinde engagieren. „Das ist ja eigentlich schon eine Passion“, stellt er fest und lächelt herzlich. In dieser Leidenschaft hat ihn jedenfalls sein Glaube, formuliert im persönlichen Credo aus dem Römerbrief, stets getragen und gut geführt: „Wenn Gott für uns ist, wer kann dann gegen uns sein?“ (8,31). Ähnlich getragen darf sich unsere Kirchengemeinde mit Wolfgang Raacks Geschick am Steuer des Gemeindesschiffs fühlen. Gott sei es ausdrücklich gedankt.

Judith Ziehm-Degner

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